Friedrich Storck                     Lasset die Kindlein zu mir kommen!

19. Jhdt.                                  (ev. Luc)

 

„O laßt, o laßt die Kindlein zu mir kommen!

Denn solchen wird das Himmelreich gegeben.“

So sprach der Heiland; und die zarten Leben

Hat sanft Er an Sein Vaterherz genommen.

 

Auch dich, deß Lebensfunken rasch verglommen,

Auch dich mocht’ an Sein Vaterherz Er heben,

Um droben in der Englein Schaar zu schweben

Und Gott zu preisen im Geleit der Frommen.

 

Nun wandelst du auf Paradiesespfaden,

Ein Sonntagskind, in heil’ger Allmacht Sonnen; -

Zum ew’gen Sabbath hat Er dich geladen:

 

Zu trinken aus des reinen Lichtes Bronnen,

Zu schmecken Gottes Herrlichkeit und Gnaden,

Zu wohnen ewiglich im Land der Wonnen!

 

 

 

 

Friedrich Storck                     Myrthenkranz

19. Jhdt.

Es kam der Gärtner, mich als Reis zu pflücken;

Dann ward von zarten Händen ich gewunden,

Mit seidnem Band umschlungen und gebunden,

Als Brautkranz sollt’ der Jungfrau Haupt ich schmücken.

 

Und gern ließ ich ins goldne Haar mich drücken,

Bald war die weiße Stirne grün umwunden. –

Und wie das Haupt den sanften Druck empfunden,

Entstömt den Augen seliges Entzücken...

 

Doch ach! wie ward der heilige Schwur gebrochen, -

Der harte Mann hat schnöd’ sein Weib verstoßen, -

Sie starb im Elend in des Wahnsinns Kreise.

 

Der grüne Kranz, er ward zum hoffnungslosen,

Und welkte hin... So hat im Traume leise

Zu mir ein falbes Myrthenreis gesprochen.

 

 

 

 

 

Friedrich Storck                     Platen

19. Jhdt.

Ein viertel Säculum! – wie viele Jahre

Daß man im fernen Süd, dem Land der Wonnen

Wo du getrunken aus der Schönheit Bronnen,

Bekränzt mit Immortellen deine Bahre! –

 

Dein Angesicht, das ernste, jugendklare,

Gewohnt empor zu schau’n zur lichten Sonnen,

Wie bald ach, war’s von Todesnacht umsponnen! –

Du schiedest hin, den Lorberkranz im Haare.

 

Du warst ein Dichter und der Besten einer.

Der Kunst zu dienen war dein heilig Streben –

Und noch erreicht in manchem Thun dich Keiner

 

Ein ehern Mal wird unvergänglich leben:

Dein Geisteswerk, das du in hoher, reiner

Gedankenanmuth deinem Volk gegeben.